Wie Düfte Gehirn und Gefühl steuern

Eine Reise durch unser olfaktorisches Universum

Unser Geruchssinn ist ein faszinierender und oft unterschätzter Teil unserer Wahrnehmung. Er ist nicht nur der älteste unserer Sinne, sondern auch direkt mit dem Teil des Gehirns verbunden, der für unsere Gefühle verantwortlich ist. Aus diesem Grund hinterlassen Erlebnisse, die mit einem bestimmten Geruch verknüpft sind, tiefere Spuren in unserem Gedächtnis, als das, was wir hören oder sehen.

Das Phänomen wird als Proust-Effekt bezeichnet, benannt nach einem französischen Schriftsteller. Er beschrieb, wie der Duft eines Gebäcks ihn unmittelbar in seine Kindheit zurückversetzte. Dies zeigt, wie Gerüche, anders als visuelle oder auditive Reize, als „Zeitmaschinen“ fungieren können, die uns direkt zu vergangenen Erlebnissen transportieren.

Denken wir nur an den Geruch alter, benutzter Schulbücher oder die Kreide auf dem Tafelschwamm  – sofort tauchen lebhafte Erinnerungen an unsere Kindheit auf. Genauso, wenn wir ein vertrautes Haus betreten: Oft genügt der Geruch, um uns das Gefühl einer tiefen Verbundenheit zu diesem Ort zu vermitteln. Der Duft von Orangen kann uns augenblicklich fröhlicher stimmen, Bergamotte macht uns wacher und klarer im Kopf, während Vanille uns ein Gefühl von Sättigung und Geborgenheit gibt.

Wie wir dieses Wissen gezielt für uns nutzen können, erfährst du weiter unten.

Der Weg der Düfte ins Gehirn

Schon bevor wir das Licht der Welt erblicken, ist unser Geruchssinn im Mutterleib aktiv. Das Ungeborene kann Aromen wahrnehmen, die direkt im limbischen System des Gehirns abgespeichert werden. Dieses System ist ein komplexes Netzwerk, das unsere Emotionen, unser Verhalten, sowie das Lernen und Erinnerungen steuern. Diese Geruchseindrücke gelangen ungefiltert ins limbische System, ohne den Umweg über die Großhirnrinde zu nehmen – sie werden also direkt aufgenommen. Dieser Vorgang prägt nicht nur die sensorische Wahrnehmung des Ungeborenen, sondern beeinflusst auch seine späteren Vorlieben und Abneigungen gegenüber bestimmten Düften.

Nach der Geburt orientiert sich das Neugeborene stark über Gerüche. Besonders die Bindung zur Mutter wird durch Düfte gesteuert, wo auch beim Stillen der Geruch der Muttermilch eine entscheidende Rolle spielt, da er den Saugreflex stimuliert.

Diese enge Verbindung zwischen Duftwahrnehmung und der Gefühlssteuerung im Gehirn erklärt, warum bestimmte Gerüche in uns starke emotionale Reaktionen und lebendige Erinnerungen auslösen können.

Düfte in unserem Alltag

In der Aromatherapie kennen wir bereits viele Eigenschaften der duftenden ätherischen Öle, die wir für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit nutzen.

Beispielsweise wird der Geruch von Orangen oft mit Frische und Energie verbunden, da Zitrusdüfte als belebend und erfrischend wahrgenommen werden. Bergamotte wirkt geistig stimulierend und beruhigend zugleich, was eine „klarere“ Denkweise fördern kann. Vanille wird oft mit Wärme und Geborgenheit assoziiert, was ein Gefühl der Sättigung und Zufriedenheit hervorruft.

Wie genau Vanillearomen den Heißhunger stillen, bleibt noch teilweise rätselhaft. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Vanille auch in Schokolade vorkommt und somit durch den Geruch eine gewisse Sättigung erzeugt. Vanilleartige Aromen sind zudem in der Muttermilch nachweisbar, was darauf hindeutet, dass Vanille möglicherweise auch ein „psychosomatisches Sättigungsgefühl“ vermitteln kann.

Mit unserem Wissen über die Wirkung von Düften werden diese heute in vielen Bereichen wie Shoppingcentern, Arbeitsplätzen, Sportstätten und Arztpraxen eingesetzt, um unsere Stimmung und Handlungen über den Geruchssinn zu beeinflussen. Auch wenn das manchmal als manipulative Technik betrachtet wird, bietet es zahlreiche positive Einsatzmöglichkeiten.

Auf eine davon möchten wir im Folgenden näher eingehen:

Wie Düfte beim Lernen helfen

Wenn wir einen Duft riechen, gelangen gleichzeitig zahlreiche Sinneseindrücke und Begleitinformationen in unser Gehirn. Dort werden sie gemeinsam abgespeichert. Dieser Prozess geschieht automatisch, ohne dass wir bewusst darauf achten müssen.

Stell dir vor: Du sitzt am Schreibtisch und willst Vokabel lernen. Verwendest du parallel einen Raumduft, verknüpft dein Gehirn das Vokabel automatisch mit dem Duft. Und das ganze funktioniert auch umgekehrt:
Verwendest du den gleichen Duft zu einem späteren Zeitpunkt nochmal, wird dir das Vokabel auch schneller wieder einfallen.

Zusätzlich haben bestimmte ätherische Öle eine stimulierende Wirkung auf das Gehirn und können die Konzentration, Aufmerksamkeit und kognitive Leistungsfähigkeit erhöhen. Andere wirken beruhigend und ausgleichend und mindern nebenbei Stress und Nervosität.

Diese Darstellung ist zwar etwas vereinfacht und berücksichtigt nicht alle Einflussfaktoren auf den Lernprozess, zeigt aber deutlich, wie Düfte das Lernen unterstützen können – und das ist wissenschaftlich belegt.

Einige ätherische Öle für den Alltag

Zum Lernen und am Arbeitsplatz: Lavendel, Limette, Zitrone, Orange, Mandarine, Bergamottminze, Grapefruit, Rosmarin

Im Wartezimmer oder vor Arztbesuchen: Lavendel, Orange, Benzoe, Zeder, Bergamotte, Palmarosa

In Ruheräumen und Schlafzimmern: Zirbe, Lavendel, Rose, Rosengeranie,  Ylang Ylang, Vanille